Systemisches und kybernetisches Denken
- helmutbaumann1
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Kybernetisches Denken wird in seiner Vielfalt und seinen Perspektivenwechseln in erster Linien durch ein kybernetisches - kommunikatives- Voranschreiten in zirkulären Abläufen gestützt.
Zirkulärer Ablauf in sechs Schritten
Im Rahmen seiner Betrachtung zur Selbstorganisation , die eng mit dem kybernetischen Prozessmerkmal „Rückkopplung“ verbunden ist, beschreibt Probst Merkmale des systemischen und Kybernetischen Denkens in einer Zirkulären Anordnung zur Erfassung und zum Verstehen von komplexen Systemen.
Systemabgrenzung
Teil und Ganzheit
Wirkungsgefüge
Struktur und Verhalten
Lenkung und Entwicklung
Wahrnehmung
Systemabgrenzung
Wenn ich die Grenze eines System bestimme, setzt es in der Regel die Frage „Was ist eigentlich das System , das ich betrachte voraus. Welche Probleme beinhaltet es? Welche Prozesse finden statt? Die Frage nach der Relevanz des Systems bei konkreten Problemen beantwortet Probst wie folgt:
Wie und wo ist das Problem, die Situation , das System abzugrenzen? Welche Stellung, welchen Bezugsrahmen, welche Prämisse wähle ich als Beobachter? Welche anderen Sichtweisen sind möglich?
Die Stellung des Beobachters ist zentral: die Systemabgrenzung wird durch den Standpunkt des Bezugsrahmen, das Vorauswissen, die Prämissen, Erwartungen, Werthaltungen usw. Bestimmt.
Welches sind für mich als Beobachter Elemente und Teilsysteme, die relevant erscheinen?
Verschiedenartige Systemabgrenzungen und Teilsystembildungen sind relevant und möglich - von zentraler Bedeutung ist jedoch, jene Elemente und Beziehungen zu erfassen, die eine bestimmte Problemsituation produzieren.
In welcher Umwelt befindet sich ein System und welche Umweltbeziehungen liegen vor? Welche Beziehungen zu anderen Systemen liegen vor?
Systeme sind immer in eine Umwelt gebettet sie sind Teil eines größeren Ganzen.
Systemisches und kybernetisches Denken ist: Ganzheitliches Denken in offenen Systemen
Teil und Ganzheit
Viele Systeme sind eher komplex und weniger kompliziert. Nicht die große Zahl von Systemteilen und deren Unterschiedlichkeit ist von Belang.
Hier stellen sich nun Kybernetische Fragen:
Wie kann die Varietät eines Systems unter Kontrolle gehalten werden?
Wie kann ein System mit ungeheuer vielen Verhaltensmöglichkeiten gelenkt werden?
Auf welchen Variablen und Beziehungen können wir Einfluss nehmen?
Welche Teile oder Variablen können wir nicht beeinflussen oder sind nicht lenkbar?
Auf welche Art und Weise kann das System gelenkt werden? Welche Reaktionen Nebenwirkungen, Veränderungen , Umkippeffekte usw. Sind zu erwarten bei lenkenden Eingriffen in das System? Usw.
Für das Untersuchen und Modellieren eines komplexen Systems, seiner Teile und seiner Ganzheit , sind nach Probst die folgenden sechs Punkte richtungsweisend.
Welche Beziehungen herrschen zwischen den Teilen; wie sind sie verknüpft? Welche Verhaltensmöglichkeiten enthält ein System., bzw welche Verhaltensmöglichkeiten sind ausgeschlossen? Welche Grenzen , Einschränkungen und Toleranzgrenzen bestehen für die einzelnen Elemente , Teilsysteme und das Ganze?
Welche Teile (Subsysteme) bilden wiederum sinnvolle Einheiten? Welche neuen Eigenschaften hat ein aus Teilen integriertes Ganzes?
Auf welcher Ebene interessieren uns welche Details? Sind (Teil-) Systeme weiter aufzulösen oder genügt eine Black-Box-Betrachtung
Netzwerke zu durchschauen versuchen der Komplexität gerecht zu werden. Einbezug der Vielfalt . Vielfalt der Dynamik , Wanlungsfähigkeit . Verändern eines unnötigen Reduktionismus. Akzeptanz von Nichtwissen-Können.
Das System bewusst auflösen und zusammenfügen, ohne das Ganze aus den Augen zu verlieren, das Ganze ist etwas anderes als die Summe seiner Teile, es gehört zu einer anderen Kategorie .
Ständiges Bewusstsein der Ebene des Denkens und Handelns notwendig, bewusstes Arbeiten auf Verschiedenen Abstrajktionsebenen.
Systemisches und kybernetisches Denken ist: analytisches und synthetisches Denken
Wirkungsgefüge
Fehlerfrei mit komplexen - zumal dynamischen - Systemen umzugehen, gelingt nur bis zu einem bestimmten Grad.
Zu zentralen Denkfehlern, die immer wieder vorkommen , wenn komplexe Systeme Gegenstand von Untersuchungen sind , verweist Probst auf zwei frühere Arbeiten Dörners mit drei Argumenten:
Der Mensch beurteilt meist vor allem den augenblicklichen Zustand eines Systems, ohne sich der zeitlichen Abläufe und der Interdependenzen bewusst zu werden.
Uns fehlt die Fähigkeit des Umgangs mit Phänomenen wie Nebenwirkungen, Schwellenwerte , Umkippeffekte oder exponentielle Entwicklungen. Komplexe Systeme verhalten sich für uns hier meist gegenintuitiv.
Wir sind gewohnt , in Kausalitäten zu denken und nicht in Netzwerken. Wir erwarten , dass eine Wirkung eine Ursache hat, dass eine Wirkung wiederum eine Ursache für eine weitere Wirkung ist usw. Aber nicht nur das menschliche Denken, sondern auch das menschliche Handeln ist an lineare Kausalketten gewöhnt und erwartet von einer Maßnahme einen Effekt, der wieder Grundlage für einen Effekt ist usw.
Damit näheren wir uns, unter anderem mit den drei voranstehenden Aussagen , den Grundlagen der Systemtheorie und Kybernetik.
Auch das Wirkungsgefüge eines komplexen Systems bzw. Die Art , wie Systemteile aufeinander wirken , wird von Probst durch sechs argumentative Fragen untermauert.
Welcher art sind die Beziehungen zwischen den Teilen?
Negative/positive Wirkungsbeziehungen?
Quantitative Wirkungsbeziehungen?
Zeitaspekt der Wirkungsbeziehungen?
Welche Rückwirkungen - auch über zahlreiche Stationen - bestehen?
Negative Rückkopplungsschleifen?
Positive Rückkopplungsschleifen?
Welche Mehrfachwirkungen liegen aufgrund vernetzter Beziehungen vor? Wie würde sich das System in anderen Situationen verhalten? Welche Redundanz, Substituierbarkeit , Verletzbarkeit, Abhängigkeit ist im System erhalten?
Erst wechselseitige Wirkungen (Interdependenzen) und zeitliche Abläufe erlauben die Dynamik und damit die Komplexität eines Systems zu verstehen.
Kausales Denken in Steuerketten wird der Realität nicht gerecht: meistens handelt es sich um zirkulare Systeme mit Rpckkopplungen über mehrere miteinander verbundene Teile, Zirkularitäten und Vernetzungen dürfen nicht aufgebrochen werden.
Die Zusammenhänge vernetzter Systeme verlangen die Beachtung von Nebenwirkungen, Mehrfachwirkungen, Schwellenwerten, Umkippeffekten, exportiere Entwicklungen usw., nur so kann die Varietät des System erfasst werden.
Systemisches und kybernetisches Denken ist: Denken in kreisförmigen Beziehungen und Netzwerken.
Struktur und Verhalten
Der Organisationslehre wohnen bis zum heutigen Tag klare organisatorische Aufbau- und Ablaufstrukturen inne. Organisatorische Grundsätze sind die Auslöser dieser Strukturen . Sie werden getragen von Organigrammen, Diagrammen, die die Funktionen einzelner Bereiche beschreiben, Leistungsstandards festlegen u.a.m.
Systemisches und kybernetisches Strukturen durchbrechen diese klassischen , oft starren Gebilde von Aufbau und Ablauf und erlauben, Möglichkeiten und Fähigkeiten beider zu erweitern, diese zu verändern, neuen Situationen anzupassen und - im Sinne der Kybernetik - zu lenken. Lenkungsmodelle sind immer mit Information ind Informationsübertragung verbunden, wobei Information auch die Entstehung von Ordnung bestimmt,bzw, die Entstehung von Unordnung (Entropie) vermeidet. Zu der Frage „Welche Strukturen bestimmen das Verhalten eines Systems?“ gibt Probst wiederum sechs argumentative Hilfen zur Hand:
Werden Verhaltensweisen durch ganz bestimmte Strukturen hervorgebracht? Welcher Art sind die Strukturen,d ie das Verhalten eines Systems bestimmen?
Welche Rolle spielen die Informations- und Kommunikationsstrukturen? Was bedeutet das Fehlen von Informations- und Kommunikationskanälen? Welches sind die zentralen Informationen und Quellen?
Welche Muster sind erkennbar? Können wir feststellen, ob etwas fehlt, dazukommt , sich verändert?
Strukturen bestimmen das Verhalten eines Systems und damit Anpassung, Veränderung , Selbstorganisation, Lernen, Entwicklung, Strukturen sind formell und informell , bewusste und unbewusste Mechanismen , Regeln, Normen usw.
Information ist zentral: Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten sind Voraussetzung für Lenkung.
Ordnung (wie wir sie wahrnehmen) entsteht aus dem Zyklus von Struktur und Verhalten .
Systemisches und kybernetisches Denken ist: Ein Denken in Strukturen und (informationsverarbeitenden) Prozessen.
Lenkung und Entwicklung
Lenkungsmodelle und deren Mechanismen sind weit verbreitet. Sie sind in natürlichen, technischen, wirtschaftlichen und sozialen Systemen präsent.
Lenkungsmechanismen in unterschiedliche Bereichen wie Natur , Technik , Soziales haben zu unterschiedlich ausgeprägten Modellen und spezifischen mustern von sieben Beispielen des kybernetischen Denkens geführt, die nachfolgend aufgelistet sind:
Denken in Modellen: Ziel ist es, Lenkungsmodelle für bestimmte Systeme bzw. Situationen zu bilden und zu erforschen.
Denken in verschiedenen Disziplinen: Wissen über Lenkungsmechanismen wird aus verschiedensten Disziplinen beigezogen.
Denken in Analogien: Unter dem Lenkungsaspekt abgebildete Systeme werden vergleichbar und als nützliche Analogmodelle anwendbar.
Denken in Regelkreisen: An der Stelle der linearen Kausalitätsvorstellung tritt ein Denken in kreisförmigen Kausalitäten in Netzwerken.
Denken im Rahmen von Information und Kommunikation: Information wird gleichauf mit Energie und Materie gestellt und zur Grundlage für Lenkung.
Denken im Rahmen von Komplexitätsbewältigung: Komplexität wird nicht reduziert oder übergangen, sondern im Sinne des Varietätsgesetzes akzeptiert.
Denken in Ordnungsprozessen: Lenkungsstrukturen bestimmen die Komplexität einer Ordnung und umgekehrt. Organisierte Ordnung kann immer nur von geringer , selbst -organisierter Ordnung kann von hoher Komplexität sein.
Natürlich sind auch bei Lösungen von Aufgaben oder Erkundung von Ursachen für Katastrophen bei konkreten komplexen und hochkomplexen Systemen verschiedene Muster von kybernetischen Denkprozessen nicht ausgeschlossen.
Abschließend wird auch hier die Frage nach dem Wissen über Lenkungs- und Entwicklungsprozesse oder -Modelle, die hilfreich sein können, mit sechs Hinweisen unterfüttert:
Welches Wissen aus anderen Gebieten , das die Phänomene Lenkung und Entwicklung betrifft kann von Nutzen sein?
Sind Analogien unter dem Gleichgewicht der Lenkung und Entwicklung möglich?
Welche delbstdeterminierten, autonomen Möglichkeiten der Lenkung und Entwicklung hat das System= Inwieweit kann das System etwas neu schaffen und sich entwickeln?
Es gibt allgemeingültige „Systemgesetze“ und Modelle zu Problemen der Komplexität, der Lenkungsstrukturen und des Systemverhaltens.
Kybernetische Modelle und Systemforschung auf der mechanistischen, natürlichen und sozialen Ebene lassen sich nutzbringend anwenden.
Systeme können reagieren, entgegen und/oder handeln. Je nachdem stehen zustandserhaltende zielorientierte oder zweckorientierte Prozesse im Vordergrund.
Systemisches und kybernetisches Denken ist: ein interdisziplinäres mehrdimensionales Denken in Analogiemodellen.
Wahrnehmung oder die Kybernetik der Kybernetik
Die Kybernetische Wahrnehmunskurve eines Menschen beginnt nicht unmittelbar nach der Geburt, obwohl wir von Geburt an, als Kybernetische dynamische Lebewesen mit einem komplexen Wirkungsnetz existieren. Wir lernen und erkennen erst im Verlauf der fortschreitenden Bildung, durch fremdes lehrreiches Einwirken oder durch Eigeninitiative ,dass die Lebensgrundlage der Natur und alle sich daraus entwickelnden Instrumente und Prinzipien für ögologische gesellschaftliche-soziale und ökonomische Weiterentwicklung ein Beziehungsgeflecht bilden. Nichts auf unserem Planeten kann isoliert betrachtet werden. Diese fundamentale Erkenntnis ist vielen Menschen geläufig - auch den Führungskräften und Gestaltern in allen Lebens- und Arbeitsbereichen, nicht zuletzt auch in der Politik: Das große Missverständnis - um nicht zu sagen: der nachhaltige fortschrittsfeindliche Fehler - ist, dass Menschen trotz besseren Wissens sich mehr oder weniger den kybernetischen Fundamentalgesetzen der Natur , konkreter: dem eigenen existenziellen Fortschritt , verweigern. Mit ihren kurzfristigen Entwicklungsstrategien produzieren sie Katastrophen, die die Grenzen der Lebensfähigkeit unseres Planeten erreicht, sie teilweise sogar schon überschritten haben. Es ist das vielfach zitierte m0onokausale und kurzfristige Denken und Handeln, dass dem nachhaltigen vernetzten Denken und Handeln und somit der unbedingten Stärkung der kybernetischen Wahrnehmungs- und Lernkurve entgegensteht. Wie lange der fortschrittsfeindliche dominierende Prozess monokausalen Denkens und Handelns in einer komplexen vernetzten - kybernetischen - Natur und Umwelt noch seine erdweiten zerstörerischen Schneisen quer unter, auf und über unserer Erde zieht , ist ungewiss. Sicher ist, dass die Evolution für den Fall der Fälle auch ohne uns fortschreitet.
Wie wir Systeme wahrnehmen bzw. Erkunden, beschreibt Probst wie folgt:
Welches Wissen ist in einem Kontext sinnvollerweise mit einzubeziehen ? Gibt es alternative Standpunkte, um einen Kontext sinnvoll wahrzunehmen?
Wie nehmen wir Strukturen und Verhalten wahr? Wo liegen die Grenzen menschlicher Wahrnehmung? Worüber können wir nichts wissen? Ist sich das Sytem über die Verhaltensmöglichkeiten, die systemischen Zusammenhänge bewusst (Selbstreflektion)?
Was wollen wir mit unserer Modellbildung/Beobachtung? „Passt“ das von uns konstruierte Modell zum Wollen? Erfüllt es seinen Zweck?
Je nachdem , wie wir das Modell in einer bestimmten Situation wahrnehmen , handeln wir. Verschiedene Konstruktionen der Wirklichkeit sind möglich; der Boabachter ist Teil des beobachteten Systems (Beobachter 2. Ordnung) wir sind für unser Denken, Wissen und Tun verantwortlich.
Die Wahrnehmung ist ganzheitlich, aber wir sehen nicht das Ganze ; sie ist abhängig von Erfahrungen usw: sie ist selektiv; sie ist strukturbestimmt; ein vollständige Erklärung komplexer Phänomene ist nicht möglich.
Die Bewusstmachung des Zwecks der Beobachtung und der Eigenheiten des Beobachters ist unerlässlich. Modelle passen oder passen nicht, sie sind nicht das Abbild einer objektiven Wirklichkeit.
Systemisches und kybernetisches Denken ist: transdisziplinär ind konstruktivistisch (Wirklichkeit konstruierend).